Die Reihe der Prominenten, die mit unserem Ortsamtsbereich Burglesum in Verbindung zu bringen sind, setzen wir fort mit Franz Adickes.
Sein Lebensweg führte ihn von seinem Geburtsort Harsefeld bei Stade für längere Zeit nach Lesum.
Im Vergleich zu den Familien des Baron Ludwig Knoop, Johann Friedrich Hackfeld oder auch Rudolf Alexander Schröder – um nur einige Zeitgenossen zu nennen – sind von Franz Adickes keine sichtbaren Spuren bekannt.
Dennoch sind seine Leistungen durchaus anerkennens- und erwähnenswert.
Geboren wurde er am 19. Februar 1846 und auf die Vornamen Franz, Bauchard und Ernst getauft.
Sein Vater, Wilhelm Dietrich Adickes (1817 – 1896) war Amtsrichter und stammte aus einer angesehenen friesischen Familie im Lande Wursten zwischen Bremerhaven und Cuxhaven.
Seine Mutter, Therese, geborene Chappuzeau (1822 – 1898) war die Tochter des königlichen Amtmannes aus Bederkesa. Die Eltern von Franz Adickes sind beide in Lesum verstorben und auf dem Friedhof am Kirchberg beigesetzt. Franz Adickes hatte zwei Geschwister, wobei der Bruder Erich zu den bedeutenden Geisteswissenschaftlern seiner Zeit gehörte. Er war Professor für Philosophie an der Eberhard-Karls-Universität in Tübingen. Professor Erich Adickes (1866 -1928) hat den handschriftlichen Nachlaß von Immanuel Kant (1724 – 1804) durchgearbeitet, sodaß er als geordnete Kantausgabe von der Preußischen Akademie der Wissenschaften zwischen 1911 und 1914 veröffentlicht werden konnte.
Franz Adickes erhielt ab Herbst 1850 Privatunter- richt in seinem Geburtsort Harsefeld und ab Jahres- ende 1852 besuchte er die Volksschule im damals preußischen Lesum. Sein Vater war in dieser Zeit als Assessor an das neu eingerichtete Amtsgericht in Lesum versetzt worden. Hier in Lesum haben Franz und seine beiden Brüder die Volks- und auch die Rektorschule besucht.
Im Jahre 1860 begab sich Franz Adickes nach Hannover, wo er das Glück hatte, als 14jähriger bei den dort lebenden Großeltern, namens Wehner, aufgenommen zu werden. Zu der Familie gehörten zwei unverheiratete Schwestern. Nach dem Besuch der Höheren Schule bestand er 1864 das Abitur und nun wechselte er nach Heidelberg, um an der „Ruprecht-Karls-Universität“ zu studieren. Sein weiterer Weg führte ihn an die Universitäten in München und Göttingen. Sein Studium der Rechtswissenschaften nutzte er, um über Römische Rechtsge- schichte viel zu erfahren. Mitte März 1867 schloß Franz Adickes sein Studium in Göttingen ab. Zur Ablegung des Ersten Staatsexamens übersiedelte er nach Celle.
Vom damaligen Vizepräsidenten des Oberappellationsgerichts erhielt er die Aufgabenstellung seiner ersten Staatsarbeit. Das 198 Seiten umfassende Arbeitsergebnis und die am 20. Juli 1867 abgelegte mündliche Prüfung wurde mit der Examensnote „Sehr gut“ beurteilt.
Seine Referendarausbildung absolvierte Franz Adickes in Neustadt am Rübenberge, Hannover und Berlin, doch zur Zulassung zum Assessorexamen benötigte man vier Jahre Vorlaufzeit. Um diese Jahre zu überbrücken, bemühte er sich, ab 1. April 1869 seine Militärpflicht zu erfüllen, als er im September 1872 seine Prüfungsarbeit einreichen konnte, die mit der Note „Gut“ bewertet wurde.
Franz Adickes entschied sich widererwartend nicht für die Richter- und Staatsanwaltslaufbahn, sondern er bewarb sich in Dortmund um die Stelle zum Beigeordneten und später um die Position als zweiter Bürgermeister.
Am 5. Mai 1873 wurde er von der Stadtverordnetenversammlung einstimmig für 12 Jahre gewählt und vom König am 23. Juni 1873 in seinem Amt bestätigt.
Während seiner Dortmunder Assessorenzeit heiratete Franz Adickes am 27. September 1873 die aus Kassel aus einer Arztfamilie stammende Sophie, Therese, Teutone Lambert. Die Trauung fand in der Lesumer St. Martini Kirche statt. Die Brautleute hatten sich 1870 auf einer Ausflugsfahrt des Obergerichts Göttingen getroffen. Aus der Ehe sind vier Kinder hervorgegangen.
Als sein Vater, Dietrich Adickes, 1892 in Lesum sein 40jähriges Richterjubiläum und gleichzeitig sein 50-jähriges Dienstjubiläum feiern konnte, weilte sein Sohn Franz an seiner Seite. – Darüber hinaus soll Franz Adickes gerne ins Elternhaus nach Lesum zurückgekehrt sein.
Weil er in Dortmund seine Zeit nutzen konnte, zahlreiche rechtswissenschaftliche Veröffentlichungen über Armenpflege, Sozialversicherungen und über das Wohnungswesen herauszugeben, schlug er 1873 das Angebot aus, einen entsprechenden Lehrstuhl an der Universität in Halle einzunehmen.
Für die berufliche Entwicklung von Franz Adickes war es durchaus wichtig, daß er in Dortmund die für die gesamte preußische Kommunalpolitik höchst bedeutenden Oberbürgermeister Hermann Heinrich Becker (später „roter Becker von Köln“) und danach Friedrich Wilhelm Bernard Becker (später „schwarzer Becker von Köln“) als beispiel- gebende Vorgesetzte kennenlernen durfte.
Jedoch im Jahre 1876 bewarb sich Adickes um die attraktive Beigeordnetenstelle in der damals selbstständigen Stadt Altona.
Für den 30jährigen Franz Adickes wäre eine gute Dotierung gesichert und auch der Zugang zum Amte des dortigen Bürgermeisters in Aussicht gestellt. Außerdem lag es nahe, bei der erhofften Wahl zum Bürgermeister, daß damit auch die Mitgliedschaft zum Preußischen Herrenhaus verbunden sein würde. Nach vier Jahren in Dortmund verwirklichte sich tatsächlich sein Wunsch, durch die Wahl zum Bürgermeister, nach Altona zu wechseln. Als Beigeordneter führte er alsbald die Geschäfte des alten, überforderten Oberbürgermeisters von Thaden. Nach Rücktritt des alten Amtsinhabers wurde Franz Adickes offiziell 1883 als Nachfolger eingeführt. Er hatte zuvor in Berlin wichtige Verhandlungen geführt, deren Verlauf seinen guten Ruf bestätigte. Hinzu kam, daß Altona gegen die aufstrebende Freie Hansestadt Hamburg einen schweren Stand hatte. Am 24. Januar 1884 wurde Franz Adickes zum persönlichen Mitglied des Preußischen Herrenhauses auf Lebenszeit berufen.
In Anbetracht seiner außerordentlichen Verdienste bot man Adickes 1890 die Stelle des Oberbürgermeisters der Stadt Frankfurt a. M. an. Wegen seiner herausragenden Kenntnisse als Kommunal- beamter und auf entsprechende Empfehlungen wurde er am 18. Oktober 1890 von der Stadtverordnetenversammlung mit großer Mehrheit zum Ober- bürgermeister Frankfurts gewählt. Am 24. November 1890 erfolgte die königliche Bestätigung und am 11. Januar 1891 konnte Franz Adickes für 12 Jahre in sein neues Amt eingeführt werden.
Bleibende Verdienste erwarb sich Adickes in Altona, die ihn in Frankfurt interessant gemacht haben, indem er die gesamte stadtbauliche Infrastrukturentwicklung der Häfen überarbeitet und modernisiert hatte.
Gemessen an seinen Frankfurter Aktivitäten, muss die Wahl zum dortigen Oberbürgermeister der Einstieg zu einer Lebensaufgabe für Franz Adickes gewesen sein. Besondere Aufmerksamkeit schenkte er der Städtebauentwicklung, der Wirtschaft sowie der Kultur und Wissenschaft.
Zahlreiche Vororte wurden eingemeindet und es entstanden neue Wohngebiete wie West-, Ost- und Nordend.
Seiner Anregung folgend, sind der Osthafen, die Festhalle und das Völkermuseum entstanden. Schließlich wurde eine Skulpturensammlung eingerichtet und die Vorarbeiten zur Errichtung der Frankfurter Universität betrieben, die den Namen „Johann-Wolfgang-Goethe-Universität“ trägt.
Am l. August 1914 wurde das Privileg der Begründung der Universität erteilt, ohne daß dafür Staatsmittel beansprucht wurden, sondern durch Opferbereitschaft begüterter Bürger entstand diese Bildungseinrichtung.
Am 1. Oktober 1912 trat Oberbürgermeister Franz Adickes nach seiner Wiederwahl i. J. 1902 aus gesundheitlichen Gründen zurück. Zuvor eingegangene Angebote, Oberbürgermeister von Magdeburg oder gar preußischer Kultur- und Finanzminister zu werden, hatte er abgelehnt. Herz- und Kreislaufprobleme und Gicht setzten seinem Leben am 4. Februar 1915 ein Ende. Auf dem Frankfurter Hauptfriedhof wurde Franz Adickes beigesetzt.
Sein erfolgreiches Wirken erbrachte Anerkennung und Ruhm im In- und Ausland. Dabei darf nicht unerwähnt bleiben, dass Franz Adickes für sein herausragendes Wirken jeweils als Oberbürger- meister in Altona 1891 und in Frankfurt a. M. 1912 die Ehrenbürgerschaft verliehen bekommen hat. Erwähnt sei, daß eine Hauptverkehrsstraße in Frankfurt a. M., die Adickesallee, nach ihm benannt wurde.
Für seine Verdienste um die Hygiene im Wohnungswesen und sein Bemühen um die Krankenhausentwicklung erhielt er am 8. November 1899 von der Medizinischen Fakultät der „Philipps- Universität“ Marburg die Ehrendoktorwürde.
Die juristische Fakultät der Gießener „Ludwigs- Universität“ hat Franz Adickes am 25. November 1909 für seine Verdienste um die Rechtswissenschaften – ausdrücklich „beiderlei Rechtes“ – also des weltlichen und des kirchlichen Rechtes, ebenfalls die Ehrendoktorwürde verliehen.
Der preußische Staat würdigte die gesamte Lebensleistung des Geehrten i. J. 1914 durch die Verleihung des hochangesehenen Titel „Wirklicher Geheimer Rat“ verbunden mit der Berechtigung der Anrede „Exzellenz“.
Über Franz Adickes einen Aufsatz zu schreiben kann nur der Versuch sein, sich einer besonderen facettenreichen und interessanten Biografie zu nähern. Der Jurist, Kommunalpolitiker, Buchautor und Wissenschaftler fühlte sich stets mit seinem Elternhaus in Lesum verbunden und das macht uns Franz Adickes so wertvoll, um über ihn zu berichten.
Mein besonderer Dank gilt Herrn Professor Dr. Erich Weiß von der Universität Bonn, dessen Unter- lagen mir eine große Hilfe waren.
Vor dem Frankfurter Universitätsgebäude befindet sich ein Franz Adickes-Denkmal. Auf meine schriftliche Bitte, erhielten wir eine entsprechende Abbildung. Dafür bedanken wir uns.
Nachsatz: Wie üblich, habe ich, wenn es sich um personenbezogene Berichte oder von Autoren erhaltene Aufsätze handelte, den Betreffenden meine Druckvorlage vor Veröffentlichung zur Einsicht überlassen, so auch Prof. Dr. Weiß in Bonn. Seine uns übersandte biografische umfangreiche Arbeit über Franz Adickes war die Grundlage zu diesem Aufsatz.
Prof. Dr. Weiß äußerte sich erfreut, daß wir dieses Thema aufgegriffen haben. Bleibt noch anzumerken, daß der Autor unter – Weiß, E. (2011) Franz Adickes in den Jahren 1873-1877 in Dortmund – eine biografische Skizze – in Nachrichten aus den öffentlichen Vermessungswesen Nordrhein-Westfalen, Ausgabe 1/2011 Seite 42-63 unter Internet- Adresse noev nrw hat aufnehmen lassen.
Rudolf Matzner, Lesumer Bote