Das Museums- und Zigarrenmacherzimmer

Tabakverarbeitung in Burgdamm – Exponate ziehen ins Überseemuseum

Warum Stücke aus dem Lesumer Heimathaus und dem Köksch un Qualm künftig in Bremen-Mitte zu sehen sind

Der Heimatverein Lesum hat seinen Zigarrenmachertisch und einige weitere Exponate an das Überseemuseum übergeben.

Julia Assmann

Lesum. 46 Jahre lang schmückten ein Zigarrenmachertisch und andere Arbeitsutensilien zur Tabakverarbeitung aus dem 19. Jahrhundert das Museumszimmer des Heimatvereins Lesum. Künftig werden die Exponate im Überseemuseum zu sehen sein. Der Verein hat sie jetzt an Jan Christoph Greim, Leiter der Abteilung Handelskunde und der Provenienzforschung am Überseemuseum, übergeben. Auch die Ausstellungsstücke zur Tabakgeschichte, die zuvor im mittlerweile geschlossenen Hauswirtschaftsmuseum Köksch un Qualm in Burgdamm ausgestellt waren, sind jetzt wieder in das Museum am Hauptbahnhof zurückgekehrt. Sie waren eine Leihgabe des Überseemuseums und ab 2008 in Bremen-Nord zu sehen.

Voraussichtlich ab dem kommenden Jahr, so Jan Christoph Greim, wird eine Auswahl der Exponate dauerhaft in dem Bereich der Asien-Ausstellung gezeigt, in dem es um Tabak geht. „Wir aktualisieren die Ausstellung nach und nach und werden einige Stücke als Konvolut integrieren.“ Greim hat dabei die Wahl zwischen zwei Zigarrenmachertischen. Im Heimathaus Lesum stand der Tisch des letzten Zigarrenmachers Joseph Lennartz aus Burgdamm, im Köksch un Qualm ein weiterer. „Voraussichtlich stellen wir den Tisch aus Lesum aus“, sagt Greim. „Das ist ein sehr schönes Stück.“

Nach ihrer Einlieferung in das Museum für Völker-, Handels- und Naturkunde wurden alle Stücke zunächst einmal in die hauseigene Stickstoffkammer gebracht. Dort bleiben sie für mehrere Wochen, bevor sie im Magazin eingelagert werden. „Das ist eine Vorsichtsmaßnahme für alle Teile, die zu uns in Haus kommen“, erläutert der Leiter der Handelskundeabteilung. In der sauerstoffarmen Umgebung ersticken etwaige Schädlinge wie Motten und Käfer. Ab 2025 werden die Teile, die einen Teil der bremischen Tabakindustrie repräsentieren, dann in neuer Umgebung präsentiert.

Der Heimatverein Lesum hatte Möbel und Arbeitsgeräte des letzten Burgdammer Zigarrenmachers im Jahr 1968 von dessen Erben übernommen und ab 1978 in seinen Räumen ausgestellt, wie im Dezember 1978 der Nord-Kurier, Vorgänger von DIE NORDDEUTSCHE, berichtete. Damals war der Verein noch an der Bremerhavener Heerstraße ansässig. „Damit ist in Burgdamm eine Einrichtung entstanden, die ein Stück Ortsgeschichte widerspiegelt, denn gerade dieser Stadtteil war wie kein anderer Zigarrenmacher-Mittelpunkt in Bremen und seinem Umland“, heißt es in dem Artikel. Und weiter: „Hier standen mehrere große Zigarrenfabriken, von denen die der Firma Wilkens Nachfolger mit dem Inhaber Richtering wohl die größte war.“

Das Zigarrenmacherzimmer halte die Erinnerung an Burgdamms große Zeit wach. „Es befindet sich noch dazu in der ehemaligen Zigarrenfabrik des Fabrikanten Knoche, der als der Erfinder der hölzernen Zigarrenform in die Geschichte eingegangen ist.“ Nach dem Umzug des Heimatvereins in sein heutiges Domizil im Lesumer Ortskern wurden die Zigarrenmacher-Utensilien im ersten Stock des Heimathauses gezeigt.

Sie standen zusammen mit Möbeln aus dem sogenannten Damenzimmer aus Schloss Mühlental, das einst von Baron Knoop erbaut wurde, im Museumszimmer des Vereins. Dort standen die Gegenstände indes nicht besonders häufig im Fokus der Öffentlichkeit. Schließlich entschloss sich der Verein – auch mit Blick auf die bevorstehende Sanierung des Heimathauses – sich von den Möbeln und weiteren Stücken zu trennen. Das Damenzimmer hat bereits seit 2023 einen neuen Platz im Schloss Schönebeck. Das Zigarrenmacher-Zimmer bekommt nun einen in der Stadtmitte.

Während einige Exponate aus dem Köksch un Qualm künftig Teil der Kulissen im Vegesacker Geschichtenhaus werden, kehren die Stücke zum Thema Tabakverarbeitung nach 16 Jahren ins Überseemuseum zurück. Im Köksch un Qualm ging es um das Leben des Tabakfabrikanten Wilhelm Richtering und dessen Dienstpersonal. Richtering leitete die Zigarrenfabrik in Burgdamm, in deren Gebäude das Köksch un Qualm beheimatet war. Hartmut Roder, damaliger Leiter der Handelskundeabteilung im Übersee-Museum, richtete die Tabak-Ausstellung mit Schaustücken aus dem Museum einst ein. „Sie beinhaltete auch Stücke der Kulenkampff AG“, erzählt Jan Christoph Greim.

In einem Interview mit unserer Redaktion bezeichnete Hartmut Roder Burgdamm als Wiege der bremischen Tabakindustrie. Mehrere große Tabakunternehmen hatten hier ihren Sitz. Laut Roder gab es, noch bevor die eigentliche Industrialisierung stattfand, so etwas wie eine Hausindustrie. Ganze Familien produzierten zu Hause in Heimarbeit bis zu 5000 Zigarren pro Woche. Dieser Teil der Bremer Tabak-Geschichte wird in der Ausstellung im Überseemuseum jedoch allenfalls eine kleine Rolle spielen. „Es geht vorwiegend um den Handel mit Tabak. Aus Indonesien kamen die besten Tabake nach Bremen wie der Sumatra Tabak.“ Thematisiert wird in der Ausstellung unter anderem die Gründung der Bremer Tabakbörse.

WESER-KURIER vom 22.05.2024 / Norddeutsche