Verwaltungsbezirk | Burglesum |
Ortsteil | Lesum |
Postleitzahl | 28717 |
Querstraßen | Admiral-Brommy-Weg An der Lesumer Kirche Deichweg |
Straßentyp | Anliegerstraße |
Straßenlänge | rund 380 Meter |
Die Eingliederung des heutigen Stadtbezirks Bremen‐Nord nach Bremen am 1. November 1939 sowie das politische und zeitgeschichtliche Geschehen führten dazu, dass viele Straßen im gesamten Bremer Stadtgebiet umbenannt werden mussten – ich habe auch in vorherigen Serienteilen bereits darauf hingewiesen. Das betraf auch verschiedene Straßennamen im Ortsamtsbereich Burg‐Lesum. Eine dieser Straßen war die bis dahin so genannte Hafenstraße in Lesum, ein von der Straße An der Lesumer Kirche zum Lesumer Hafen führender Fahrweg. Denn auch im Bremer Hafengebiet und in Vegesack gab es jeweils eine Hafenstraße – und die Hafenstraße in Bremen durfte ihren Namen behalten.
Die Hafenstraße im Bremer Stadtgebiet verbindet den früheren Überseehafen mit dem Hansator. Dabei geht es zunächst vorbei am Zollamt. Später verläuft sie parallel zur Nordstraße. Das Wasserbecken des Överseehaben Parks bildet den früheren Hafenkopf des ehemaligen Überseehafens. Die zunehmende Verlagerung des Schiffverkehrs nach Bremerhaven veranlasste den Bremer Senat dazu, das Hafenbecken im Jahre 1998 zuzuschütten. Der zur Verfüllung des Hafenbeckens verwendete Sand, wurde aus der zeitgleichen Ausbaggerung der Außenweser gewonnen. Der Überseehafen ist inzwischen großflächig bebaut; der Överseehaben‐Park soll an den früheren Hafen und seine Nutzung sowie an den Neuanfang der Überseestadt erinnern.
Auch Vegesack musste seine Hafenstraße umbenennen. Mit „Alte Hafenstraße“ traf man, geschichtlich gesehen, den Kern: In Vegesack gab und gibt es den ältesten, künstlich angelegten Hafen Deutschlands, der schon in der Zeit von 1618 bis 1621 erbaut worden war und im vergangen Jahr 2023 seinen 400. Geburtstag feierte.
Um einen neuen Namen für die Hafenstraße in Lesum bemühten sich seinerzeit nicht nur das Ortsamt und der Beirat, sondern auch Heimatkundler und alteingesessene Lesumer Bürgerinnen und Bürger. Sie wurden um ihre Meinung gefragt. Man einigte sich zunächst auf den Namen „Torfstraße“ und begründete diesen Vorschlag damit, dass am Lesumer Hafen vorwiegend Torf für Lesum und die Umgebung angelandet wurde.

Einst belebten ganze Torfkahnflotten die Flüsse Hamme, Wümme und auch die Lesum. Die 1874 erbaute Ritterhuder Schleuse durchfuhren ein Jahr später sage und schreibe 18.000 Torfschiffe. Charakteristisch für den Torfkahn ist ein oft
braun gefärbtes Segel, das etwa 12 Quadratmeter misst und an einem 6 Meter hohen Mast hängt.
Die Torfkähne aus dem Teufelsmoor konnten nach der Menge des zu transportierenden Torfs unterschieden werden. Gemessen wurde das Ladegut in sogenannten Hunt. Am häufigsten waren die Halbhunt‐Kähne. Diese kamen auf eine Schiffslänge von etwa 9,5 Meter Länge (ohne Ruderblatt) und 1,8 Meter Breite. Zudem gab es noch den Viertelhunt und den Einhunt.
Ein Hunt war das Bremer Torfmaß. Diese traditionelle Maßeinheit wurde durch eine bremische Verordnung von 1829 klar definiert: 60 sogenannte Baumträgerkörbe mit 108 Soden oder 80 Wagenkörbe mit 81 Soden entsprachen jeweils einem
Hunt. Anders und einfacher ausgedrückt: Nach heutigen Maßstäben entsprachen rund 13,5 Kubikmeter einem Hunt.

Die Routen der Torfkähne über die Wümme in Richtung Bremen‐Stadt führten bis Ende des 19. Jahrhunderts auch über den Deich – mittels eines so genannten Schiffsüberzugs. Dabei handelt es sich nicht um einen Schutzanzug für Schiffe. Vielmehr wurden die Schiffe tatsächlich über die vor Überflutung schützenden Deiche gezogen.
Die später erbauten Schleusen und Siele ersparten diese kräftezehrenden und mühsamen Umwege. Auch heute weisen noch Hinweisschilder im Blockland auf diesen Umstand hin.

Schiffsüberzüge waren insbesondere auf der Neuen Semkenfahrt erforderlich. Dieses Kanalsystem, zunächst Neuer Torfkanal genannt, beginnt zwischen dem Ober‐ und Niederblockland in Höhe des heutigen Ausfluglokals „Gartelmanns Gasthof“ und führt von dort über die Kleine Wümme in die Wümme.
Wir kommen zurück zum Lesumer Hafen. Der dort ankommende Torf wurde also über die Hafenstraße abgefahren.
Das Fuhrunternehmen Bielefeld aus der Schneiderstraße transportierte neben Sand und Holz auch Torf. Dieser Torf aus dem Teufelsmoor, vorwiegend Brenntorf, wurde ausgehend vom Lesumer Hafen nach Lesum und auch in die umliegenden Gemeinden transportiert, um die dortigen Haushalte mit diesem Brennstoff zu versorgen.

Man wollte also mit der Benennung der damaligen Hafenstraße in „Torfstraße“ eine Erinnerung an frühere Zeiten wachhalten. So dachte man. Aber schon gleich nach dem Bekanntwerden dieses Vorschlages wurde von den Anwohnern der damaligen Hafenstraße in Lesum protestiert. Sie seien doch keine „Torfköpfe“, hieß es, kein dummer „Jan vom Moor“. Es wurde mit der Ablehnung an die volkstümliche Meinung angeknüpft, die allgemein einen Moorbewohner, der etwas mit Torf zu tun hat, als dumm bezeichnet.
Schließlich wurde der vermittelnde Vorschlag gemacht, die Lesumer Hafenstraße in „Am Lesumhafen“ umzubenennen. Dieser Name setzte sich schließlich durch. Damit wurde der Friede im Ort wieder hergestellt. Zusätzlich sind wir um eine lokale Anekdote reicher, haben etwas über Torftransport auf der Semkenfahrt gelernt und können bei der nächsten Feier gegenüber Freunden und Bekannten mit Kenntnissen über den Schiffsüberzug glänzen.
Erschienen in: Lesumer Bote Nr. 123
Quellen:
Lesumer Wochenblatt, 29.01.1977, Straßen der Heimat, Hafenstraße sollte Torfstraße heißen
Blog der Uni Bremen, Die Bremischen Häfen in der Globalen Politischen Ökonomie, Fotorätsel #4, https://blogs.uni‐bremen.de/hafenblog/2020/05/09/fotoraetsel‐4/, abgefragt am 25.02.2024
Der Vegesacker Hafen wird 400 Jahre alt ‐ und das macht ihn besonders, https://www.butenunbinnen.de/nachrichten/geschichte‐hafen‐vegesack‐100.html, abgefragt am 25.02.2024
Hund (Einheit) – Wikipedia zuletzt abgefragt 15.04.2024
Schiffsüberzug – Wikipedia, zuletzt abgefragt 15.04.2024, Bildquelle: Quistnix at Dutch Wikipedia (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Rijpwetering_‐_over toom_bij_de_Blauwe_Molen.jpg), „Rijpwetering ‐ overtoom bij de Blauwe Molen“, https://creativecommons.org/licenses/by‐sa/2.5/legalcode
Schiffsüberzug
Torfkahn (Teufelsmoor)