Skandinavien in Marßel
Verwaltungsbezirk | Burglesum |
Ortsteil | Burgdamm |
Postleitzahl | 28719 |
Straßen im Marßeler Feld | Aarhuser Straße Drontheimer Straße Espoostraße Göteborger Straße Hammerfester Straße Helsingborger Straße Helsinkistraße Kopenhagener Straße Lahtistraße Landskronastraße Malmöstraße Osloer Straße Stavanger Straße Stockholmer Straße Upsalastraße Wisbystraße |
Straßentyp | Wohnstraßen, bis auf die Stockholmer Straße (Verbindungsstraße) |
Das Marßeler Feld ist heute geprägt durch die vielen Mehrfamilienhäuser, die in den 1960er Jahren dort gebaut wurden. In einem Gebiet zwischen der Bundesstraße 74, der Autobahn und der Ihlpoler Kreuzung (dem damaligen Verteilerkreis, auch „Ihlpohler Kreisel“) entstand eine Stadt auf den früher landwirtschaftlich genutzten Äckern. Rund 700.000 qm Fläche wurden bebaut. Mehr als 6.500 Menschen sollten hier neuen Lebensraumfinden. Geplant und gebaut wurden Hochhäuser, Mehrfamilien- und Einfamilienhäuser. Dazu die soziale Infrastruktur des Ortsteils: Schulen, Lebensmittelgeschäfte, Orte der Begegnung und zwei Kirchen …
Vielfach sprach man von einer Trabantenstadt, also einer wirtschaftlich mehrheitlich eigenständigen Siedlung, die von Wohnbereichen dominiert wird, in der jedoch auch Arbeitsplätze und Infrastruktur entstehen.
Wesentlicher Teil dieser Grundeinrichtungen sind die technischen Voraussetzungen. Hierzu zählen neben Straßen, Buslinien, Taxiständen insbesondere die Energie- und Wasserversorgung und die Entsorgungseinrichtungen für Abwasser und Müll. In späteren Jahren kamen noch Wertstoff-Recycling und digitale Infrastruktur hinzu.
Viele Straßen des Marßeler Feldes tragen heute die Namen skandinavischer Städte und Hauptstädte. Durch diese „Namensfamilie“ sollten Zusammenhang und Zusammengehörigkeit des riesigen Neubaugebietes dokumentiert werden. Andere Begriffe wie die von Bäumen, Pflanzen, Tieren oder deutschen Städten wurden im Stadtgebiet Bremens bereits vielfach verwendet.
Die Benennung der Marßeler Straßen mit skandinavischen Namen verweist auf die Geschichte: Das Gebiet in und um Bremen gehörte in früheren Jahrhunderten mehrfach zu Schweden und Dänemark.
So erinnern die überlebensgroßen Holzskulpturen von Wikingern beim Kinder- und Familienzentrum Landskronastraße an deren Raubzüge 994/995 in unsere Gegend, weseraufwärts bis hin zur Bremer Domburg.
Ende des 17. Jahrhunderts, als ein Großteil des Gebietes dem Freiherren Carl Friedrich von Lilienburg gehörte, bestand darüber hinaus ein direkter Zusammenhang zum damaligen schwedischen Königshaus. Die Mutter von Carl Friedrich von Lilienburg war wohl eine Nichte des Königs Karls X: Prinzessin Julienne von Hessen-Eschwege. Der König von Schweden macht Carl Friedrich zum Freiherrn von Lilienburg.
Die Stockholmer Straße bildet eine Art Achse durch das Marßeler Feld, denn sie verbindet die Bundesstraße 74 mit der Stader Landstraße.
Die Namenspaten der verschiedenen Straßen sind im Regelfall namenhafte Städte oder Kommunen der skandinavischen Länder Schweden, Finnland, Norwegen und Dänemark:
Stadt | Wo gelegen |
---|---|
Aarhus | Zweitgrößte Stadt Dänemarks |
Drontheim | Das Stadtgebiet und die umliegenden Siedlungen machen Trontheim zur drittgrößten Kommune in Norwegen, Deutsch veraltet Drontheim |
Espoo | Zweitgrößte Stadt Finnlands |
Göteborg | Zweitgrößte Stadt Schwedens |
Hammerfest | Stadt und nördlichste Kommune Norwegens |
Helsingborg | Achtgrößte Stadt Schwedens und nach Malmö die zweitgrößte Stadt der Provinz Schonen |
Helsinki | Hauptstadt Finnlands, nördlichste Hauptstadt eines EU-Mitgliedstaates |
Kopenhagen | Hauptstadt und Kommune Dänemarks |
Lahti | Achtgrößte Stadt Finnlands |
Landskrona | Hafen- und Industriestadt Schwedens am Öresund |
Malmö | Drittgrößte Stadt Schwedens |
Oslo | Hauptstadt, Provinz und größte Stadt Norwegens |
Stavanger | Viertgrößte Stadt Norwegens, im Südwesten an der Nordseeküste, bis in die 50er Jahre hauptsächlich Industriestadt, seitdem allmählich moderne Großstadt und Verwaltungszentrum |
Stockholm | Hauptstadt Schwedens und größte Stadt Skandinaviens |
Upsala | Viertgrößte Stadt in der schwedischen Provinz Uppsala, veraltet Upsalam seit Anfang des 20. Jahrhunderts Uppsala |
Wisby | Visby, an der Westküste der schwedischen Ostseeinsel Gotland gelegen, war im 12. Jahrhundert führender Handelshafen Nordeuropas |
Auffällig ist, dass bei der Namensgebung der Straßen teilweise auf eine frühere und damit veraltete Schreibweise der Städtenamen zurückgegriffen wurde. Dieses Phänomen gilt sowohl für die Drontheimer Straße als auch für die Upsalastraße – siehe beiliegende Tabelle. Und, es ist kein Einzelfall. Beide Straßennamen gibt es nur ein weiteres Mal in Deutschland, beide Male in Berlin. Die dortige „Upsalaer Straße“ schreibt sich ebenfalls mit nur einem „p“ und auch die Drontheimer Straße in der Bundeshauptstadt schreibt sich mit „D“. Straßen nach heutiger Schreibweise der Städte gibt es lediglich in Köln (Uppsala Weg) und Wietzendorf (in der Lüneburger Heide im Landkreis Heidekreis: Uppsalasteig). Visby (schwedisch) wird im Deutschen seit der Zeit der Hanse mit W geschrieben.
Neben den aufgeführten Städte-Straßennamen sticht noch die Olof-Palme-Straße mit skandinavischem Bezug hervor. Sie verbindet die Stader Landstraße mit Sanders Hagen.
Sven Olof Joachim Palme war in der Zeit von 1969 bis 1976 sowie von 1982 bis 1986 schwedischer Ministerpräsident. Der Sozialdemokrat setzte sich für Abrüstung und Verständigung und auch für die Belange der Dritten Welt ein. Im Jahr 1986 wurde Palme im Stadtzentrum von Stockholm nach einem Kinobesuch auf offener Straße erschossen. Um die Tat ranken sich bis heute verschiedene Mythen und Spekulationen, angefacht durch die Tatsache, dass ein mutmaßlicher Attentäter 1989 zunächst schuldig, später aber wieder freigesprochen wurde. Erst im vergangenen Jahr (2020) hat eine drei Jahre zuvor zusammengestellte Ermittlungsgruppe auf Basis alter und neuer Indizien einen anderen, bereits nach der Tat schon Verdächtigten als neuen mutmaßlichen Täter identifiziert. Da dieser bereits verstorben ist, wurden weitere Ermittlungen sowie das Verfahren eingestellt.
Der Schwedenbezug nimmt quasi kein Ende. So wurde die neue Kirche der evangelischen Gemeinde an der Stockholmer Straße nach Nathan Söderblom und die der römisch katholischen Kirche an der Göteborger Straße nach der katholischen Nonne und Wohltäterin aus Schweden, der heiligen Brigitta benannt.
Erschienen in: Lesumer Bote Nr. 109
Quellen:
Baustart auf dem Marßeler Feld, Burg-Lesumer Vereinsblatt, 04.05.1962
Marßeler Ritter gründeten Burgdamm, Die Norddeutsche, 06.09.1974
Bremen-Grambke, Die Grambker Enzyklopädie, Grambke heute, gestern & vorgestern, Marßel und das Marßeler Feld, https://bremen-grambke.de/Marssel?highlight=lilienburg
Olof Palme, Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/Olof_Palme#Weiter e_Theorien_um_den_Mord_an_Olof_Palme, abgefragt am 23.01.2021
taz-Archiv 09.09.2004, S.22
Zeit Online, Wie oft gibt es Ihre Straße, https://www.zeit.de/interactive/strassennamen/? utm_referrer=https%3A%2F%2Fwww.google.de%2F#/?suche=, abgefragt am 23.01.2021